Was ist häusliche Gewalt?Interview mit Anna B., einer Beraterin bei der Frauenhelpline

Anna B., Beraterin bei der Frauenhelpline

Wir sprechen mit Anna B., die Beraterin bei der Frauenhelpline ist. Die Frauenhelpline bietet anonyme und kostenlose telefonische Erst- und Krisenberatung für Frauen, Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen sind.

Die Frauenhelpline ist erreichbar von 0 – 24 Uhr an 365 Tagen im Jahr.

Telefon: 0800 222 555
Website: www.frauenhelpline.at

Neben Deutsch und Englisch, wird auch Beratung in Arabisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Polnisch, Russisch und Türkisch angeboten.

Was ist eigentlich häusliche Gewalt?

Damit ist die Gewalt in Ehe- oder Paarbeziehungen gemeint, die in einem gemeinsamen oder getrennten Haushalt stattfindet. Häusliche Gewalt hat vielfältige Erscheinungsformen und reicht von Demütigungen, Beleidigungen und Einschüchterungen über körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt bis hin zu Mord und Mordversuch.

Wer ist denn davon betroffen?

Überwiegend wird die Gewalt von Männern gegenüber Frauen ausgeübt. Es gibt Fälle, in denen Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden, aber die sind selten. Zudem kann sich Gewalt auch bei Partnern oder Partnerinnen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen ereignen. Aber in der Regel sind es Frauen, die durch Männer Formen körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt erleben.

Warum bleiben Frauen bei Männern, die ihnen wehtun?

Die Gründe dafür sind vielfältig: Und die meisten Männer schlagen und beleidigen ja nicht 24 Stunden sieben Tage die Woche, sondern sind zwischendurch ganz nett. Für die Frauen ist es oftmals schwer zu verstehen, dass aus dem netten Mann so ein gemeiner Mann wird. Wenn Männer ihre Frauen schlecht behandelt haben, tut es ihnen häufig leid und sie beteuern, dass sie nie wieder gewalttätig werden. Dadurch hoffen viele Frauen, dass die Gewalt einmalig war oder dass es das letzte Mal war und nie mehr vorkommen wird.

Überwiegend wird die Gewalt von Männern gegenüber Frauen ausgeübt. Es gibt Fälle, in denen Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden, aber die sind selten.

Dann sind Männer und Frauen über die gemeinsamen Kinder oder z. B. über ein gemeinsames Geschäft miteinander verbunden. Einige Frauen sind über ihre Verantwortung für ihre Kinder erpressbar. Wenn sie aus der Beziehung aussteigen, trennen sie auch ihre Kinder von ihrem Vater. Es dauert leider oft lange, ehe sie sich eingestehen, dass es den Kindern ohne einen gewalttätigen Vater besser gehen wird. Und dass ein Neuanfang besser ist als ein Leben in Angst.

Kann man Frauen helfen, sich zu entscheiden?

Das macht einen guten Teil unserer Arbeit aus. Frauen empfinden es als Erleichterung über ihre Situation sprechen zu können, ohne dass sie zu einer sofortigen Entscheidung gedrängt werden. Es tut ihnen gut, dass jemand zuhört und ihnen glaubt. Sie brauchen Informationen über die Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten, um sich entscheiden zu können. Und sie müssen die Hoffnung haben, dass das Leben ohne den gewalttätigen Mann wirklich besser wird. Zuhören und ermutigen, aufklären und begleiten ist, was wir und andere Beratungsstellen bieten können.

Haben es manche Frauen schwerer als andere, Hilfe anzunehmen?

Hilfs- und Unterstützungsangebote gibt es für alle Frauen, egal wie alt sie sind, wo sie herkommen und wie ihre finanziellen Verhältnisse sind. Aber manche haben mehr Angst als andere, sich Hilfe zu holen: z. B. eine Migrantin, deren Mann ihr immer wieder damit gedroht hat, dass sie abgeschoben werden wird, wenn sie ihn verlässt. Oder Frauen, die selbst ein Alkohol- oder Drogenproblem haben. Die haben Angst, dass man ihnen nicht glaubt oder ihnen Mitschuld an der Gewalt gibt. Oder sie wollen nicht, dass jemand erfährt, welche Probleme sie haben, weil sie sich schämen.

Was macht ihr, um zu helfen?

Vor etwa 30 Jahren gab es keine Schutzunterkünfte, z. B. Frauenhäuser, wo Frauen und Kinder hin konnten, die häusliche Gewalt erlebten. Es gab auch keine Frauenberatungsstellen. Zudem war es üblicher, dass Gewalt in Familien als Privatsache angesehen wurde. Viele Menschen haben daran gearbeitet, dass dieses Bild sich ändert. Wir versuchen, aufzuklären. Wir wollen, dass jeder Mensch, der von Gewalt betroffen ist, weiß, dass er und sie das Recht auf ein gewaltfreies Leben hat. Bei Polizeieinsätzen versuchen wir auf Wunsch der von Gewalt betroffenen Frauen zu intervenieren. Die Zusammenarbeit mit der Polizei und allen Institutionen, die sich auch gegen Gewalt engagieren, ist uns sehr wichtig.

Zudem bieten wir bei der Frauenhelpline muttersprachliche Beratung in Arabisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Polnisch, Russisch und Türkisch an. Für viele Frauen ist die telefonische Beratung ein erster Schritt, um in Erfahrung zu bringen, wie der Weg aus der Gewalt aussehen könnte. Wenn die Frauen ihre Wohnung verlassen möchten, vermitteln wir sie und ihre Kinder in geschützte Einrichtungen.

Und die Männer? Können die sich auch Hilfe holen, wenn sie sich ändern wollen?

Es gibt auch für die Täter Hilfen. Wer ernsthaft an sich und seinen Problemen arbeiten will, bekommt Unterstützung. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit an Anti-Gewalt-Trainings teilzunehmen, das ist meist eine Auflage des Gerichts, oder sie können sich an eine Männerberatungsstelle wenden, die es in jedem Bundesland gibt.

Ist die Arbeit mit Menschen, die Gewalt erleben, nicht sehr traurig und anstrengend?

Sicher, diese Arbeit kann traurig machen und anstrengend sein. Aber es ist auch ein sehr gutes Gefühl, daran mitzuwirken, dass Gewalt aufhört und Menschen vor Gewalt geschützt werden können.

Ich danke Ihnen für das Interview.

Und ich dir für deine Fragen.

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